Warum werden Ordensschwestern eigentlich "so" alt?

Hausmannskost und keine Extras

MALLERSDORF/STRAHLFELD (vn) – Kürzlich hat die Nachricht über Forschungen aufhorchen lassen, warum viele Ordensfrauen gesund altern. Anna Corwin hat dies in den USA erforscht. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse in dem Buch „Das Alter annehmen. Wie katholische Nonnen zu Vorbildern des Wohlbefindens wurden“. Es geht unter anderem um Ernährung und Bildung. Corvin schreibt: „In vielen amerikanischen Klöstern ist das Altern ein natürlicher Teil des Lebens und nicht etwas, das man fürchten oder vermeiden muss.“ Draußen sei man dagegen von genau dem Gegenteil überzeugt. Das Alter und alle Zeichen des Alterns müssten bekämpft werden, meinen viele Menschen. Die Katholische SonntagsZeitung hat bei Ordensfrauen im Bistum Regensburg nachgefragt, ob die Ergebnisse der Studie auch bei ihnen zutreffen.

Schwester Romana Zistler, Mitglied der Gemeinschaft der Mallersdorfer Schwestern, sagt in unserem Gespräch, für jeden Menschen sei es wichtig, einen Rhythmus zu haben. Bei Schwestern sei dieser Tagesrhythmus besonders ausgeprägt. Was das gute Altern betrifft, verweist Schwester Romana außerdem auf die regelmäßige und gesunde Ernährung, die die Schwestern einen großen Teil ihres Lebens hindurch pflegen. Bei den Schwestern in Mallersdorf etwa gebe es „Hausmannskost, keine Extras, sondern eben eine gute Grundernährung.“ Dabei spiele es eine große Rolle, dass die Nahrungsmittel frisch zubereitet sind, aber nicht auf Konserven zurückgegriffen werde. Es gebe „wenig Fastfood“. Auf alle Fälle seien im Essen der Ordensfrauen „weniger Konservierungsstoffe“ enthalten. Die ehemalige Schulleiterin der Nardini-Realschule Mallersdorf hilft in diesem Schuljahr im Mathematikunterricht aus.

Schwester Romana sagt: „Ich gehe bewusst ins Alter hinein. Das bedeutet auch, ein Stück loszulassen, weil körperlich nicht mehr alles möglich ist, was mit 40 oder gar 30 Jahren möglich war.“ Alt werden heiße nicht nur, ein Stück loszulassen, sondern sich vielmehr zu über-lassen. Und dieses Sich-Überlassen bedeute, sich Gott vertrauend zu überlassen. Das Miteinander der Schwestern schaffe ein „Stück Geborgenheit“, diese Geborgenheit wiederum ein Stück Gelassenheit, „weil ich mich behütet und zu Hause fühlen kann. Und das lässt mich wiederum gelassener alt werden“.

Was Schwestern betrifft, so sei es durchaus unterschiedlich, wie der Prozess des Alterns wahrgenommen wird, hat Schwester Romana beobachtet. „Das ist in meinen Augen sehr individuell bedingt. Die einen nehmen es bewusster an, loszulassen und abzugeben.“ Sie könnten für sich eine neue Lebensphase entdecken. Andere aber seien derart im Beruf verwickelt, dass im Ruhestand ein Stück Leere entstehe.

Und die Selbstvorwürfe?

Autorin Anna Corwin ist außerdem der Frage nachgegangen, wie Menschen mit Selbstvorwürfen umgehen, dass sie nicht mehr für andere da sein können. Schwester Romana antwortet auf die Frage nach solchen Selbstvorwürfen, dass in diesem Punkt die Einübung ins Gelassensein ebenfalls von Bedeutung sei: „Ich muss für mich Alternativen finden, bei denen ich sage: Auch das ist eine Form, für den anderen da zu sein. Für viele ist ganz in diesem Sinne das stellvertretende Gebet für die anderen sinnerfüllend.“ Dazu gehöre außerdem, von dem Denken wegzukommen, „dass ich alles leisten und können muss. Dann kann ich leichter Hilfe annehmen“.

Schwester Marina Dirks OP, Priorin des Konvents Heilig Kreuz in Regensburg, hebt im Gespräch zunächst ebenso auf die konsequente Ernährung ab, nicht ohne schmunzelnd zu bekennen: „Wir haben so viele Süßigkeiten zu Ostern geschenkt bekommen.“ Tatsächlich kaufen die komtemplativen Schwestern einmal in der Woche ein. Sie essen regelmäßig und nicht, wie sich die Dominikanerin ausdrückt, „zwischendurch alles mögliche“. Der Körper gewöhne sich an dieses Maßvolle und präge sich den Rhythmus ein. „Wir essen das, was wir brauchen. Wenn der Körper das bekomt, was er braucht, geht es ihm gut.“ Was ein steigendes Interesse an fleischloser Nahrung betrifft, merkt Priorin Marina an, dass der Konvent an drei Tagen in der Woche Fleisch isst: „Am Sonntag und zweimal in der Woche wenig Fleisch. In der Fasten- und Adventszeit gar nicht.“

Anna Corwin verweist in der Studie auf den Zusammenhang von gutem Altern und Bildung bei Schwestern. „Die Klöster sind in diesem Punkt ausgesprochen aufgeweckt, denn es gibt eine ständige Weiterbildung.“ Was die Dominikaner betrifft, so sei dies in den Konstitutionen und in der Regel unmittelbar enthalten. Priorin Dirks: „Wir trainieren es uns an, uns immer mit dem Wort Gottes und einer geistlichen Materie zu beschäftigen.“ Das ist die „Lectio divina“, die meditierende Lesung der Heiligen Schrift. Dazu kommt: „Wir haben unsere Studienzeit in der Woche – das hält gedanklich fit.“

Im Übrigen macht die Priorin darauf aufmerksam, dass eine gelungene Gemeinschaft der Ort ist, an dem man sich fallen lassen, aufeinander Rücksicht nehmen und sich austauschen könne. Das Altern betreffe nicht unbedingt hauptsächlich körperliche Fragen, sondern das Wachsen und Reifen in der Beziehung zu Gott. So skizziert die Dominikanerin das Gegenmodell, das darin liegt, im Beziehungsnetz den Weg gemeinschaftlich zu gehen. „Das trägt nochmals ganz anders.“ Deutet sich hier nicht das aufrüttelnde Moment des Ordenslebens an?

Angst zu sterben?

„Natürlich sind wir alle aus einem Grund hier und haben wir alle das gleiche Ziel. Wir leben nicht in den Alltag hinein. Wir verlieren uns nicht in Dinge des Leben, die vergehen. Das prägt uns besonders. Altern heißt, dass wir auf etwas Schönes zugehen.“ Wenn man Angst habe zu sterben, dann sei das schrecklich. „Sonst ist das Lebensgefühl aber positiver, und das wirkt sich auf die Psyche aus.“

Schwester Renata Ott, Dominikanerin im Kloster Niederviehbach in Niederbayern, erklärt die Äußerungen von Anna Corwin kurz: „Weil wir ein Leben haben, das man draußen nicht führt.“ Und weiter: „Dann hast Du einfach ein geordnetes Leben, find ich. Da spielt das Leben eine Rolle.“ Sie selbst hatte phasenweise drei „Jobs“ zugleich: „Schule, Großküche, Sakristei.“

Schwester Astrid Hermes, promovierte Missionsdominikanerin im Kloster Strahlfeld, sagt: „Mir geht es als Dominikanerin um ein sinnvolles Leben. Meine Grundbeziehung ist die zu Jesus Christus.“ Schwester Astrid führt weiter aus: „Ich lebe nicht nur, weil ich gesund sein will oder aktiv sein will, sondern das Zentrale ist die Beziehung zum Nächsten und zu Gott.“ Jesus Christus ist demnach der eigentliche personale Bezugspunkt. Es gelte, jeden Tag diese Beziehung zu leben. Und daraus ergäben sich die Werte der Liebe, Güte den Menschen zu erweisen, Solidarität und überhaupt alles, was Leben fördert. „Das tut den anderen Menschen gut, das tut mir gut. Und das versuchen wir in Gemeinschaft zu leben.“ Übrigens gehöre es auch dazu, das Alleinsein auszuhalten und das wiederum mit der Gemeinschaft im Gleichgewicht zu halten. So gelinge es, die Welt offen zu halten, erklärt Schwester Astrid, die über 20 Jahre lang in Afrika gelebt hat.

Und das Altern? Man könne Beschwerden und Krankheiten im Glauben an Jesus Christus annehmen und von daher Kraft nehmen. „Das Prinzip ist: Wir geben nicht auf“, sagt Missionsdominikanerin  Hermes weiter. Sie gibt außerdem zu bedenken: „Viele Menschen kommen zu uns und sagen: Wir können nicht mehr und mögen nicht mehr.“ Solchen müden Menschen versucht sie zu vermitteln: „Wir geben das Prinzip Hoffnung nicht auf.“ Das tun sie auch und gerade nicht im Alter, bekräftigt Schwester Astrid Hermes: „Unsere Schwester Alacoque, die nächstens 100 wird, ist ein lebendiges Beispiel dafür.“

17.04.2024 - Bistum Regensburg